Der Kampf um die neue Weltordnung (2/3)
Putin hat wegen massiver NATO-Osterweiterung und Aufrüstung Sicherheitsgarantien gefordert. Die wurden vom Westen nicht gewährt. Moskau hat darauf reagiert. Mit einem Krieg an seiner Grenze zu Europa. In der Ukraine. Um sich die Sicherheiten zu „erkämpfen“. In Arabien und der islamischen Welt ist das gut angekommen. Ja man bewundert Putin sogar. Weil er sich dem westlich-liberalen Neokolonialismus energisch widersetzt. Der im vom CIA organisierten so genannten Arabischen Frühling zur Vernichtung Libyens und zu Ermordung Gaddafis führte. Libyen stand damals 2009 kurz davor, den afrikanischen Gold-Dinar einzuführen. Die Währung für die Dritte Welt. Deshalb musste Gaddafi senior sterben. Und heute?
von Michael Winkler
DAMASKUS, 28. März 2022; 23: 00 Uhr
Müssen Deutschland und Europa nun ab sofort das trotz Ukraine-Krieg weiterhin aus Russland gelieferte Erdgas in Rubel bezahlen oder in Euro/Dollar? Die G7-Staaten haben heute einstimmig gesagt: Wir zahlen nicht in Rubel. Was ja verständlich ist. Dann müssten sie ja Rubel kaufen, die sie nicht haben, und damit den Rubel-Kurs nach oben befördern. Und würden den „bösen“ Putin nicht nur durch die Abnahme von Gas unterstützen, sondern auch Russlands Währung erhöhen. Sie hoffen darauf, dass Moskau doch noch einem Tausch Euro/Dollar gegen billiges russisches Gas/Öl zustimmt. Wie vor dem Ukraine-Krieg. Das wird nicht geschehen. Absehbar ist, dass Putin die ehemalige „Gas-Trasse“ der Freundschaft radikal kappt. Weil er das Geld aus dem Westen/Europa einfach nicht mehr braucht. Die im Wachsen befindliche multipolare Weltordnung macht es möglich. Also die Abkopplung der Wirtschaftsregionen Asien, Afrika, Südamerika von der bisherigen USA/Europa-Wirtschaftszone. Diese Zone hatte Jahrzehnte lang erst nach 1945 und dann nach 1989 versucht, die Menschen und Völker der Entwicklungsländer für dumm zu verkaufen, auszubeuten und in neue Abhängigkeiten zu bringen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dies zu ändern.
War es für die CIA und andere westliche Geheimdienste nicht möglich, den Widerstand in diesen Regionen sofort zu brechen, wurden radikale Mittel eingesetzt. Wie beim so genannten „Arabischen Frühling“. Der das Ziel hatte, alle damals existierenden Russland freundlichen Staaten Arabiens und der islamischen Welt zu zerstören. „Aufstände“, Chaos und Zerstörung wurden im Jemen, in Ägypten, in Tunesien, dem Iran und in anderen Staaten angezettelt. Vor allem in Libyen. Warum? Dort hatte der vom Volk rechtmäßig gewählte und in ganz Afrika verehrte libysche Präsident Muammar Gaddafi erkannt, dass es, um die Dominanz des Westens, der USA, Europas zu brechen, vor allem ökonomisch-finanzieller und neuer Finanzsysteme bedurfte. Er erklärte deshalb vor der UNO, dass Afrika unter seiner Führung ab 2009 den afrikanischen Gold-Dinar als „die“ Währung Afrikas und der Dritten Welt einführen wird. Wenig später war er tot. Ermordet von radikal-islamistischen Terrorbanden, die ihn ganz offenbar im Auftrag westlicher Geheimdienste ermordeten. Libyen fiel ins Chaos. Und befindet sich in diesem bis heute.
Der Gold-Dinar Gaddafis lebt weiter. In den Köpfen vieler Menschen Afrikas, Arabiens und Asiens. Er war – wenn man so will – eine experimentelle Vorstufe für die heute im Aufbau befindliche multipolare Weltordnung. Und für die galoppierende „Ent-Dollarisierung“. Ein Begriff, der seit kurzem, durch die Medien geistert. Und der die immer schneller vor sich gehende Abwendung der Staaten, Völker und Länder der Welt von der Dollar-Abhängigkeit beschreibt. Vor allem die arabische Welt hat zunehmend kein Interesse mehr daran, Gas und Öl und andere Bodenschätze im Zwangs-Dollar-System an den Westen zu liefern. Zumal diese „Geschäfte“ fast immer unter politischem Druck zustande kamen. Nach dem Motto: Wir kaufen euch das ab, aber dann müsst ihr das und das politisch-ideologisch in unserem Sinne umsetzen. Das alles hat dazu geführt, dass in den letzten Tagen und Wochen die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate VAE, Katar, Saudi-Arabien, der Sudan, Äthiopien, Ägypten, der Libanon und andere deutlich auf Distanz zum Westen gegangen sind. Ja sich teilweise sogar offen dem „Osten“, also Moskau und Peking angeschlossen haben.
Hinzu kommen religiös-ideologische Aspekte. In der Welt des Islam wird Putin nicht mehr als „Kommunist und Atheist“ wahrgenommen. Sondern als einer der Anführer des „orthodoxen Christentums“. Durchaus im Einklang mit dem Papst in Rom. Moskau hat Syrien, die Palästinenser und andere Staaten der arabischen Welt freundschaftlich unterstützt. Syrien befindet sich im Aufwind. Nachdem der Westen dieses so gut wie zerstört hatte. Erst der uneigennützige Eingriff der russischen Armee 2015 in Syrien bewahrte das Land vorm Untergang und führt seitdem zu einem unglaublichen Aufschwung. Damit ist Putin für viele Anführer und Staatsoberhäupter der islamisch-arabischen Welt ein echter und vor allem berechenbarer Partner. Im Gegensatz zu den unkontrollierbar aggressiven Typen der westlichen Welt. Wie den für die Muslime ominös und sittenwidrig wirkenden neoliberal-kapitalistischen US-Präsidenten Joe Biden.
Kein Wunder also, dass vor allem in vom Islam geprägten Staaten Afrikas, Arabiens und Asiens Entwicklungen hin zu einer neuen, nicht-westlichen und multi-polaren Weltordnung Fahrt aufnehmen. Der Streit um die Öl- und Gasvorkommen dort und vor allem im Golf werden ganz sicher in den nächsten Tagen zunehmen. Und damit auch Versuche, diese Staaten zu erpressen und zu unterdrücken. Damit Europa energetisch nicht am Boden liegt. An der Tendenz hin zu einer neuen multi-polaren Weltordnung werden sie nichts ändern.